Instead of our devices being a distraction from our relationships, our relationships seem to be a distraction from our devices.
Jennifer Sartore Hulst
Ich bin schon häufiger zu der Erkenntnis gelangt, dass ich viel mehr Informationen konsumiere als ich verarbeiten kann. Das Problem ist, dass das Aufnehmen von kleinen Informationen, insbesondere aus den sozialen Netzwerken, zum Standardverhalten in jeder noch so kleinen Wartezeit oder Ruhepause geworden ist. Zeit, die anderenfalls zum Führen von Gesprächen, zum Nachdenken und Niederschreiben von Gedanken oder irgendwie sonst kreativ genutzt werden könnte.
Das stört mich sehr. Gehandelt habe ich bisher leider noch nicht konsequent, obwohl ich es mir schon mehrfach vorgenommen habe. Das Vorhaben, “weniger” zu konsumieren, funktioniert so leider gar nicht. Menschen sind schlecht darin, Mäßigung zu üben.
Ich habe in diesem Jahr den guten Vorsatz gefasst, meine Technologienutzung zu überdenken und einzuschränken. Im ersten Schritt sollen die sozialen Netzwerke auf den Prüfstand gestellt werden. Sicherlich haben sich diese einen festen Platz in unseren Leben gesichert, doch zu welchem Preis? Können die Vorteile, die sie bieten, aufwiegen, dass wir weniger Aufwand in unsere sozialen Beziehungen im echten Leben stecken? Dass wir weniger Zeit mit Nachdenken und Reflexion verbringen? Dass wir nicht mehr kreativ tätig sind sondern nur noch gedankenverloren durch Timelines scrollen?
An diesen Fragen kann man schon herauslesen, dass ich die sozialen Netzwerke gerade am liebsten alle loswerden möchte. Wenn ich von sozialen Netzwerken rede, dann meine ich konkret Facebook, Instagram und Twitter. Bei allen dreien bin ich ursprünglich angemeldet und mehr oder weniger aktiv.
Mit Facebook war ich am schnellsten fertig. Hier war ich zwar angemeldet, habe es aber schon lange nicht mehr aktiv genutzt. Also habe ich direkt am 01.01. mein komplettes Datenarchiv runtergeladen und dann meinen Account gelöscht. Vermisst habe ich ihn bisher nicht eine Sekunde.
Bei Instagram war ich aktiver als bei Facebook. Ich fotografiere gern und habe dort relativ regelmäßig Fotos geteilt, die ich als gelungen empfand. Hier war ich nicht bereit, den Account spontan zu löschen. Ich habe mich dazu entschlossen, die App von meinem Telefon zu löschen und für 30 Tage auf den Dienst zu verzichten, um dann eine Entscheidung zu treffen. Bereits in der ersten Woche habe ich über meine Nutzung nachgedacht. Jedes Mal, wenn ich ein Foto geteilt habe, habe ich dafür eine Handvoll Likes bekommen. Gleichzeitig bin ich bei der Gelegenheit durch meine Timeline gescrollt und habe ein paar Likes verteilt. Das war alles an Interaktion. Ich hoffe, das kommt nicht nur mir sinnlos vor. Gute Fotos, auf die ich stolz bin, haben mehr verdient, als stumpf in eine Timeline gepostet zu werden und ein paar zufällige Likes zu kassieren, die von der Nutzung des richtigen Hashtags abhängig sind. Letztlich habe ich meinen Instagram Account bereits nach zehn von den ursprünglich angedachten 30 Tagen des Verzichts gelöscht. Falls ich in Zukunft den Drang habe, Fotos zu teilen, werde ich das auf andere Weise tun, zum Beispiel hier im Blog.
Twitter ist das soziale Netzwerk, bei dem ich am aktivsten bin. Mehrfach täglich scrolle ich durch die Timeline und setze auch regelmäßig Tweets ab. Twitter ist der Dienst, den zu löschen mir am schwierigsten fallen würde. Auch hier habe ich die Apps von meinen Geräten gelöscht und mir vorgenommen, 30 Tage darauf zu verzichten.
In den ersten Tagen stelle ich fest, dass ich instinktiv gern Links zu Artikeln, die ich lese, auf Twitter teile. Außerdem juckt es bei Live-Events, bspw. Fußballspielen in den Fingern, meinen Senf dazu abzugeben. All diesen Situationen konnte ich bisher aber gut widerstehen, schließlich habe ich für mich die Entscheidung des Verzichts für 30 Tage getroffen. Interessanterweise frage ich mich mit ein bisschen Abstand zu den Situationen, in denen ich gern etwas geteilt hätte, welchen Wert das gehabt hätte. Um ehrlich zu sein, lautet die Antwort für mich: keinen!
Um mir die Entscheidung leichter zu machen, habe ich versucht, die möglichen Gründe für die Nutzung von Twitter zusammenzustellen:
Gründe für die Nutzung von Twitter
- Nachrichtenkonsum: Klingt auf den ersten Blick nach eine validen Punkt, allerdings ist das auch sehr gut ohne Twitter möglich. Ich bin nach wie vor ein großer Fan von RSS-Feeds. Außerdem sind neuerdings Newsletter wieder stark im Kommen. Beides ist nicht so schnell wie Twitter. Das sehe ich aber als Vorteil, denn erstens sind viele sogenannte Schlagzeilen schon wieder überholt bevor man mit dem Lesen fertig ist und zweitens greifen langsamere Medien nicht so in den eigenen Tagesablauf ein wie Twitter.
- Freunde/Gleichgesinnte finden: Damit habe ich für mich immer meine Twitternutzung gerechtfertigt. Sicher gab es in all den Jahren einige Interaktionen mit anderen Nutzern, aber eine Freundschaft oder zumindest engere Bekanntschaft ist dabei nie entstanden. Ganz ehrlich: Wenn ich damit im echten Leben meine Probleme habe, wieso sollte das online besser klappen? Ich sollte lieber mein Augenmerk darauf richten, Beziehungen im echten Leben aufzubauen.
- Spaß/Unterhaltung: Sehr valider Punkt für die Twitternutzung. Aber hier gilt es abzuwägen: Ist ein wenig Unterhaltung den Zeitaufand und die Disruption des Tagesablaufs wert?
- Supportanfragen: Dieser Punkt ist mir nach ein paar Tagen ohne Twitter eingefallen. Ich habe in der Vergangenheit gern Supportanfragen an diverse Unternehmen per Twitter gestellt, um furchtbare Hotlines zu meiden. Das war immer sehr hilfreich, kommt allerdings auch eher selten vor.
- Community-Diskurs: Dieser Punkt trägt der Tatsache Rechnung, dass Twitter heutzutage auch als Kommentarspalte zu Blogartikeln, Podcastepisoden, usw. dient. Letztlich handelt es sich um die Kombination aus Content und dem Meinungsbild darüber. Interessanterweise ist das im Moment der Bereich, der mich bezüglich der Accountlöschung am ehesten zögern lässt.
Wie gehts weiter?
Zunächst bin ich froh darüber, bereits zwei von drei Accounts gelöscht zu haben. In Sachen Twitter werde ich weiterhin versuchen, den Dienst für den Rest der 30 Tage nicht zu nutzen und bewusst wahrzunehmen, was mir fehlt und was ich gewinne. Ich kann jetzt schon sagen, dass es gut tut, nicht in jeder kurzen Ruhephase sofort zum Smartphone zu greifen und irgendeine Timeline zu öffnen. In einer solchen Phase kam bei mir beispielsweise in den letzten Tagen die Idee, diesen Blog wiederzubeleben. Ich hoffe, dass ich am Ende der 30 Tage so überzeugt vom Leben ohne soziale Netzwerke sein werde, dass ich Twitter ohne Reue den Rücken kehren kann.
Mit der Eliminierung der sozialen Netzwerke ist mein Vorsatz allerdings noch nicht zu Ende. Auch was andere digitale Medien angeht, konsumiere ich viel zu viel. Als Stichworte seinen genannt: RSS-Feeds, Podcasts, Newsletter, Pocket. All diese Dienste sind Inboxen, die jeden Tag aufs Neue gefüllt werden und deren Wert auf den Prüfstand gestellt werden muss. Mein Ziel ist es, dass meine Geräte wieder zu Werkzeugen werden, die ich selbstbestimmt und zu einem bestimmten Zweck einsetze und die nicht Einfluss auf meinen Tagesablauf nehmen oder diesen gar bestimmen.