Ich habe vor kurzem das Buch „Digital Minimalism“ von Cal Newport gelesen. In einem Kapitel ruft er dazu auf, dass wir viel Zeit allein mit uns selbst verbringen sollten. Mein erster Gedanke war, dass das für mich überhaupt kein Problem ist. Ich reise jede Woche beruflich und verbringe auf diesen Reisen sehr viel Zeit allein. Außerdem gehe ich regelmäßig allein laufen. Das ist doch genau das, was Newport meint, oder?
Nein, leider nicht. Er meint nicht, dass wir keine anderen Menschen um uns haben sollen, sondern dass wir Situationen schaffen, in denen wir uns von allen äußeren Einflüssen abschotten und unseren eigenen Gedanken Raum geben. Mein Tagesablauf beim Reisen sieht ungefähr so aus:
Beim Verlassen des Hauses setze ich mir Kopfhörer auf und höre entweder einen Podcast oder ein Hörbuch. Mit einer kurzen Unterbrechung zum Kaufen von Frühstück am Hauptbahnhof nehme ich die Kopfhörer erst wieder ab, wenn ich in den Zug steige. Während der Zugfahrt lese ich in der Regel ein Buch. Am Zielbahnhof angekommen setze ich mir wieder meine Kopfhörer auf und fahre mit der U-Bahn ins Büro. Nach der Arbeit fahre ich - natürlich mit Kopfhörern - ins Hotel. Dort schaue ich mir beim Abendessen meist einen TED-Talk an und lese den Rest des Abends in einem Buch, bis ich ins Bett gehe.
Ich war die ganze Zeit allein für mich. Aber habe ich meinen Gedanken auch nur einen Moment Raum gegeben? Nein, habe ich nicht. Ich habe den ganzen Tag Informationen konsumiert, ohne dass ich auch nur eine Gelegenheit gehabt hätte, diese zu verarbeiten. Ich verstehe jetzt, was Newport meint und bin überzeugt davon, dass der konstante Konsum von Informationen auf Dauer ein Problem ist. Mit unseren Smartphones haben wir heutzutage die Möglichkeit, das Alleinsein komplett aus unseren Leben zu verbannen. Damit verpassen wir die positiven Effekte, die mit dem Alleinsein einhergehen:
- Schwierige Probleme klären
- Emotionen regulieren
- Moral aufbauen
- Beziehungen stärken
Ich merke in Gesprächen sehr häufig, dass ich nichts Sinnvolles beitragen kann, ganz einfach, weil ich meine Gedanken dazu erst sortieren muss.
Unabhängig davon habe ich mir vor kurzem vorgenommen, eine regelmäßige Schreibgewohnheit zu etablieren. Als Hilfe habe ich mir den Kurs „30 Days to Better Writing“ von Sean McCabe gekauft, der mir für 30 Tage das Versprechen abverlangt, jeden Tag zu schreiben. Ich schreibe diesen Text gerade im Rahmen von Tag 18. Seit 18 Tagen setze ich mich täglich für 20 Minuten hin und schreibe. Das kann entweder zu einem zuvor festgelegten Thema oder einfach der eigene Gedankenstrom sein. Man sollte dabei darauf achten, dass man in diesen Minuten des Schreibens ungestört ist. Dabei habe ich festgestellt, dass mir das Schreiben enorm dabei hilft, meine Gedanken zu sortieren.
Als ich das realisiert habe, musste ich an Cal Newports Appell denken, dass wir mehr Zeit mit unseren Gedanken verbringen sollten. Nichts anderes tut man beim Schreiben. Wichtig ist, dass man hierbei möglichst alle äußeren Einflüsse eliminiert und für eine ungestörte Schreibzeit sorgt. In diesem Sinne bin ich der Ansicht, dass eine tägliche, ungestörte Schreibgewohnheit ein sehr gutes Mittel ist, seinen eigenen Gedanken Raum zur Entfaltung zu geben.
Verbringst Du Zeit allein mit Deinen Gedanken oder hast du Schwierigkeiten damit, diese Zeit in Deinen Tagesablauf zu integrieren? Wie sieht diese Zeit bei Dir aus? Ich freue mich über Deine Antworten in den Kommentaren. Bitte teile den Artikel in Deinem Netzwerk, wenn er Dir gefallen hat. Du kannst mir außerdem auf Twitter folgen.